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Freitag, 27. Juni 2025



Über den Pass nach Ventimiglia

Weiterfahrt


Gegen halb eins kommen wir dann endlich weg. Wir suchen noch das Hexen-Museum in Triora, aber am Ende der Via Campomattone ist Schluss. Durchfahrverbot. Das runde Schild mit dem roten Rand an der Hauswand haben wir wohl gesehen, nicht aber das Schild darunter: „Museo Etnografico“. So ist das leider, wenn man verwaltungsgesteuert nur noch offizielle Straßenschilder sieht.

Wir wenden den Panda – Zentimeterarbeit zwischen Hauswand und Hydrant – aber nach zwei Mal vor und zurück stehen wir wieder richtig. Wir fahren wieder runter nach Molini (das „di Triora“ lasse ich jetzt weg, wegen der Verwechslungsgefahr!). – Ach ja, und noch eins: Ein Besuch im Hexenmuseum wäre ohnehin nicht möglich gewesen, das hat im Sommer zwischen zwölf und drei zu. Zweimal 3 € gespart.

Corte


Dann geht’s weiter, wieder einen Kilometer den Berg runter und dann schnurstracks Richtung Norden. Von einer Spitzkehre linksherum hat man einen grandiosen Blick auf Corte, ein winziges 50-Einwohner-Örtchen, hoch oben am Berg. Und auch hier eine Kirche. „Santuario della Madonna del Ciastreo“, die laut Überlieferung an einer Stelle errichtet wurde, wo die Muttergottes erschienen sein soll. Marienerscheinungen und Hexenverfolgung. Tolle Zeit, dieses 16. Jahrhundert.

Aufstieg zum Colle de Langan


Um kurz vor eins sind wir wieder unten in Molini di Triora, am Abzweig zum Colle Langan, 1½ Stunden hinterm Plan. Ich hab den Colle ausgesucht, weil er laut Internet zu den abgelegensten und schönsten Strecken zählen soll, die Ligurien zu bieten hat. Kurz hinter Molini di Triora beginnt der Anstieg.


Die ersten Kilometer winden sich durch dichte Wälder, Kastanien und Eichen, mit moosbewachsenen Steinmauern am Straßenrand. Ab und zu kommt uns ein Motorradfahrer entgegen, sonst niemand. Doch, ein Radfahrer sehnig, grauhaarig, mindestens fünf Jahre älter als wir, vielleicht zehn. Er keucht, schwitzt und stemmt sich verbissen gegen den Berg, während der Panda im zweiten Gang vorbeizieht. Ich schau in den Rückspiegel – und frage mich, was das nun wird: Seine letzte Reise oder ein weiterer persönlicher Gipfelsieg in seiner Sammlung?

Wir fahren weiter. Jetzt meint es die Straße aber wirklich ernst. Schmal, kurvig, kaum ein Randstreifen. Ständig ermahnt mich Susanne, weiter links zu fahren. Sie hat natürlich nicht ganz unrecht – auch wenn sie mit ihrer Angst vielleicht ein bisschen übertreibt.

„Ich sag’s ja nur“, höre ich immer wieder von rechts. „Das ist ein Panda, kein Wohnmobil.“

Trotzdem – die Straße ist stellenweise wirklich sehr schmal und da kann es aus Susannes Sitzposition heraus schon so aussehen, als würde der rechte Reifen direkt über dem Abgrund schweben. Kein Leitplanke, nur ein paar lose Steine, vielleicht ein Busch – und dann geht’s rechts gefühlt 500 m runter. Ich nehme die nächste Kehre im ersten Gang, langsam, fast in Zeitlupe. „Katzabärle“ meistert das souverän, mit seinem kleinen, brummenden Motor. Susanne greift zur Wasserflasche. Wahrscheinlich nicht aus Durst, sondern eher zur Beruhigung.

Die Passstraße ist ein Traum. Hier gibt es aber auch viele Schlaglöcher. Das zwingt uns, extrem langsam zu fahren. Das ist auch gut so, denn plötzlich steht ein Maulesel direkt am Straßenrand. Dunkles Fell, kräftige Beine mit dieser Mischung aus Sturheit und Ruhe im Blick. Das Tier ist nicht angebunden, nicht eingezäunt – steht einfach am Straßenrand, als wäre sie sein ganz persönlicher Parkplatz. Im Schritttempo fahren wir an ihm vorbei.

Später erfahren wir dann, dass Maulesel auf der Straße und in Tunnels in diesem Gebiet völlig normal seien. Die Tiere leben hier oben tatsächlich halbwild, gehören oft noch lokalen Bauern, werden aber über weite Teile des Jahres sich selbst überlassen. Hier am Colle Langan finden sie genug Futter auf den den kargen Wiesen und an den Hängen. Vermutlich kennen sie die Gegend besser als jeder Mensch. Was mich am meisten beeindruckt: Der Maulesel hat sich in keinster Weise für uns interessiert. Kein Fluchtreflex, kein Angriff – er stand einfach nur da, als Teil der Landschaft, so wie die Steine, das Gras und der Wind.

Colle de Langan


Dann sind wir oben: 1226 Meter hoch. Hier oben ist nicht Riviera – hier oben ist es wild, ruhig und archaisch – und mittendrin wir mit unserem Panda. Für uns ist das – am heutigen Tag – genau richtig: kein Lärm, keine Gebäude, nur der Wind, die Weite, und die Berge rundum.

Castellvittorio?


So steil, wie es vom Valle Argentina her hoch ging auf den Pass, so steil geht es auf der anderen Seite auch wieder runter – ins Valle Nervia. In einer Rechtskurve halten wir kurz an und machen ein Foto von diesem Dorf, das da wie hingetupft am Hang klebt – in der Ferne, halb im Dunst.

Manche würden sagen: „Schönes Dorf“, und weiterfahren. Mir reicht das aber nicht. Ich will wissen, wie es heißt, wer dort lebt, ob dort jemand freitagnachmittags Holz hackt oder heute zu Mittag Bohnen hatte – ich will einfach mehr als nur ein hübsches Bild. Ich will später nicht bloß sagen: „Da waren wir.“ Ich will sagen: Das war Castelvittorio. Da steht die Kirche ‚Chiesa campestre di San Luigi‘ und da keuchte auf der anderen Passseite ein alter Radfahrer hoch, während wir im Panda bequem vorbei rollten“.

Die SP 65 (SP steht für Strada Provinziale, wir würden sagen Landstraße) runter nach Pigna ist prächtig. In der Hoffnung, das uns dort keiner entgegenkommt – und wenn einer kommt, muss er halt warten – mache ich ein Foto vom „Katzabärle“. Die Serpentinen im Wald runter fünf, sechs Kilometer vor Pigna sind ein einziges Gekurble, aber im Wald ist es – ohne Gegenverkehr, den hatten wir seit dem Colle Langan nicht – einfach eine Freude zu fahren. Außerdem ist es hier angenehm kühl: 25°C Außentemperatur. Je weiter wir runterkommen, desto sicherer sind wir: Das ist Castelvittorio.

Inzwischen sind wir bis auf 260 m Meereshöhe heruntergefahren und im Nerviatal angekommen. Achtung! Vorsicht jetzt! Von schräg hinten rechts kommt die Straße aus Buggio – aber wir haben Vorfahrt! Jetzt kommt auch noch eine Straße spitzwinklig von links hinten! Mann, da hätte ich warten müssen! Zum Glück kam keiner.

Pigna


Die Straße schlängelt sich am Fluss entlang. Kurz vor dem Ort taucht plötzlich links ein riesiges Gebäude auf. Verlassen, fast gespenstisch. Die Fenster dunkel, der Putz blättert, auf dem Parkplatz nur noch Dreck und ein paar alte Bauzäune. Wir halten an – wir sind zu neugierig, um einfach weiterzufahren.

Unter der stilisierten Blume am First glaubt Susanne mit ihren Whale-Watching-Augen – sie sieht Delfine lange bevor sie da sind – die Worte „Grand“ und „Hotel“ erkennen zu können. Und tatsächlich, die Ruine war früher mal ein Kurhotel, mit echter Schwefelquelle. Thermalwasser direkt aus dem Boden, und Gästen im hoteleigenen weißen Bademantel. Und heute? Stille.

Seit 2015 ist das ehemalige Grand Hotel Terme di Pigna geschlossen. Ein russisches Ehepaar aus Monaco hat es später bei einer Zwangsversteigerung gekauft – für, so sagt man, rund drei oder vier Millionen Euro. Kaum zu glauben, dass es früher einmal über 20 Millionen wert gewesen sein soll. Gerüchteweise gibt’s große Pläne: Ein Fünf-Sterne-Resort soll hier entstehen – Spa, Gourmetrestaurant, Minigolfplatz, sogar ein Hubschrauberlandeplatz sei geplant. Anfang diesen Jahres war noch immer von Investitionen in Höhe von 50 bis 60 Millionen Euro die Rede. Klingt alles gewaltig – aber vor Ort sieht man nichts davon. Keine Baustelle, keine Arbeiter. Nur Wind, hohes Gras, und der leichte Schwefelgeruch, der noch immer in der Luft hängt.

Wir fahren weiter durch Pigna hindurch bis ins 27 Kilometer entfernte Ventimiglia. Dolceacqua müssen wir – weil wir nicht wissen, wann die Hanbury-Gärten zu machen – zunächst links liegen lassen. Dolceacqua können wir auch noch danach besuchen, ist ja hell bis nach neun.

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Kopfstein, Kaffee, große Klappe – die ligurische n Morgen-Lektion
Durchs Ligurische Hinterland bis Triora
Über den Pass nach Ventimiglia
Hanbury-Gärten – Teil 1
Hanbury Gärten – Teil 2
Dolceacqua
Fahrt zurück nach Cervo

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